Neoliberalismus als Politische Theorie
(15220)
Type | Advanced Seminar |
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Instructor | Friederike Kuntz |
Room | Ihnestr.21/F |
Time | Do, 18:00-20:00 |
Prominenten Stimmen in den Geistes- und Sozialwissenschaften zufolge verbirgt sich unter der Bezeichnung Neoliberalismus mehr als eine ökonomische Theorie. Neoliberalismus, so ein verbreitetes Argument, sei zugleich ein politisches Projekt, welches sich dadurch auszeichne, dass der Markt zum Gründungsprinzip von Gesellschaft und des Staates erhoben werde. In dieser Perspektive erscheint Neoliberalismus als eine in sich relativ geschlossene Weltsicht bzw. Ideologie (z.B. Soborski 2013), die die zentrale Triebfeder von Globalisierung sowie der zentrale Faktor eines tiefgreifenden sozialen und politisch-institutionellen Wandels ist. Sowohl die Richtung als auch die Beurteilung dieses Wandels sind in der Wissenschaft indes umstritten. Als historische Träger von Neoliberalismus als einem politischen Projekt gelten u.a. Akteure wie die sog. Mont Pèlerin Society, Staatsoberhäupter und Regierungschefs. Bereits in den späten 1970er Jahren konstatierte etwa Michel Foucault, dass Neoliberalismus eine historisch spezifische Denk- und Ausübungsweise von Gesellschaft, Staat und Regierung impliziere, deren Kennzeichen eine „Staatsphobie“ sowie eine gesellschaftliche Ausdehnung der Idee von Unternehmertum seien. David Harvey bspw. zählt neben Privatisierung und Finanzialisierung einen minimalen Staat zu den Kernbestandteilen von Neoliberalismus. Loïc Wacquant z.B. beschreibt eine Zweiteilung des Staates im Zuge eines neoliberalen Regierens, welcher demnach im Verhältnis zur Elite minimal und im Verhältnis zu anderen sozialen Schichten intervenierend, ja regelrecht strafend, sei. Außerdem mehren sich in jüngster Zeit Befragungen von Neoliberalismus hinsichtlich dessen progressiven politischen Potentials. So wendet sich James Ferguson gegen eine Verwendung von Neoliberalismus als ein „linkes Kampfvokabular“ und plädiert für eine eingehende Beschäftigung mit der politischen Rationalität neoliberaler Theorie und Praxis, um deren Emanzipationspotential erkennen und für die Gesellschaft nutzbar machen zu können. Wendy Browns Betrachtung der Chancen für Demokratie unter einem neoliberalen politischen Regierungsregime fällt hingegen ein deutlich pessimistischeres Urteil. Ziel des Seminars ist es, einen exemplarischen Überblick über die wissenschaftliche Debatte über Neoliberalismus als einem politischen Projekt und zentrale, darin vertretenen Positionen zu vermitteln. Vor diesem Hintergrund geht das Seminar beispielhaft der Frage nach, wie sich die von neoliberalen Wirtschaftstheorien selbst formulierten politiktheoretischen Elemente zu den diskutierten Charakterisierungen von Neoliberalismus als eine Politische Theorie und politische Praxis verhalten.