Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit: Das Forschungsprogramm des SFB 700
Risse, Thomas / Lehmkuhl, Ursula – 2006
Governance ist zu einem zentralen Thema sozialwissenschaftlicher Forschung geworden. Dabei besteht Übereinstimmung, dass politische Gemeinwesen bestimmte Leistungen in den Bereichen Herrschaft, Sicherheit und Wohlfahrt erbringen sollen. In den Debatten wird aber oft effektive Gebietsherrschaft als Kernelement moderner Staatlichkeit stillschweigend vorausgesetzt, und die Forschung konzentriert sich auf die OECD-Welt. In globaler sowie historischer Perspektive sind autoritative Entscheidungskompetenz und Gewaltmonopol des Staates jedoch die Ausnahme, nicht die Regel. Ein Blick auf die Länder des Südens, zerfallen(d)e Staaten in den Krisenregionen der Welt oder ehemalige Kolonien bestätigt dies. Hier wird politisch gesteuert, ohne dass die vielfältigen Verfahren demokratischer und rechtsstaatlich organisierter Wohlfahrtsstaaten verfügbar wären. Der SFB 700 fragt daher nach den Bedingungen von Governance in diesen Räumen begrenzter Staatlichkeit: Wie und unter welchen Bedingungen werden Governance-Leistungen in den Bereichen Herrschaft, Sicherheit und Wohlfahrt in Räumen begrenzter Staatlichkeit erbracht, und welche Probleme entstehen dabei? Die SFB-Teilprojekte untersuchen, wie dort regiert wird und welche Probleme dabei entstehen. Dabei gehen wir davon aus, dass sich in Räumen begrenzter Staatlichkeit neue Formen des Regierens herausbilden, die vorwiegend weiche Steuerungsformen nutzen, auf vielfältigen Kooperationsformen zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren basieren und durch eine Verschränkung von globalen, nationalen und lokalen Ebenen charakterisiert sind.
The governance problematique constitutes a central research focus in contemporary social sciences. Yet, the debate remains centered on an ideal type of the modern nation-state with full sovereignty and a legitimate monopoly over the use of force. From a global as well as a historical perspective, however, the Western modern nation-state is an exception rather than the rule. Outside the developed world, we find areas of limited statehood, from developing and transition countries to failing and failed states in todays conflict zones and historically in colonial societies. Our Research Center focuses on these areas of limited statehood which lack the capacity to implement and enforce central decisions or even lack the monopoly over the means of violence. We ask: How can effective and legitimate governance be sustained in areas of limited statehood? Which problems emerge under these conditions? We assume that multi-level governance is the rule in areas of limited statehood, linking the local with the national, regional, and global levels. We also assume that governance in areas of limited statehood involves a variety of public and private actors, such as states, international organizations, firms, and civil society. Governance entails negotiations, bargaining, and arguing among these actors rather than hierarchical command and control.