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Erfahrungsbericht SS 2013: Von Berlin nach COIMBRA

Vorbereitung

Dass ich während meines Studiums ins Ausland gehen möchte, war mir von vornherein klar. Obwohl ich Soziologie studiere, habe ich mich deswegen im Januar 2012 über das ethnologische Institut für einen Erasmusaufenthalt in Coimbra beworben. Ein anderes Land als Portugal kam für mich nicht in Frage, weil ich meine vorhandenen Sprachkenntnisse festigen bzw. ausbauen wollte und während einer vorherigen Reise außerdem feststellen durfte, wie schön und vielseitig es dort ist. Die Bewerbung über ein fremdes Institut ist grundsätzlich möglich, wenn es der gleichen Fakultät angehört und die Plätze nicht von institutseigenen Studierenden gewollt sind oder es sich um ein Nebenfach handelt. Meine Zusage hatte ich ziemlich schnell in der Tasche, weil Portugal aufgrund der Sprache bei weitem nicht so begehrt ist wie Spanien oder Frankreich.

Im Oktober 2012 habe ich dann auf Grundlage der Lehrveranstaltungen für das Wintersemester versucht mein Learning Agreement zusammenzustellen. Bei mir war es so, dass ich mich dafür mit dem Koordinator meines eigenen Instituts und der Koordinatorin der Ethnologie absprechen musste. Schließlich wollte ich mir zumindest zehn Credits für mein eigenes Studienfach anrechnen lassen und sollte zugleich die Dozenten des Aufnahmeinstituts mit meiner Anwesenheit beglücken. Generell kann man davon ausgehen, dass sich innerhalb des ersten Monats an der Gastuniversität herausstellt, welche Seminare und Vorlesungen man tatsächlich besuchen kann bzw. möchte. Bis dahin lohnt es sich wenig, tiefgreifende Recherche bzgl. des Vorlesungsverzeichnisses zu betreiben. Meine Koordinatoren an der Gastuniversität waren sehr tolerant, so dass ich Kurse jeder Fachrichtung besuchen konnte. Aus diesem Grund sollte man sich im Vorhinein überlegen, ob man das eigene Interesse in den Vordergrund stellt und auch mal über den Tellerrand schaut oder so viele Leistungspunkte wie möglich mit nach Hause nimmt. Meiner Meinung nach sollten nicht mehr als 20 Credits angestrebt werden, wenn man auch außerhalb der Uni was erleben möchte. Damit man jedoch nicht dazu aufgefordert wird das Erasmusstipendium zurückzuzahlen, sollte zumindest ein Kurs vollständig mit Prüfungsleistung belegt werden. Alles was bei mir mit dem Learning Agreement und der Kursanmeldung zu tun hatte, habe ich mit dem International Office der Faculdade de Economia (http://www.uc.pt/feuc/internacionalizacao/incoming) geklärt, da mich das Angebot der Anthropologen nicht sehr angesprochen hat. Dennoch musste der Koordinator der anthropologischen Fakultät als eigentlicher Kooperationspartner sein OK geben und unterschreiben.

Ungeachtet dieser Bewerbungsformalitäten gibt es nicht viel mehr, was an dieser Stelle erwähnenswert ist. Es ist jedem selbst überlassen, ob er oder sie sich zusätzlich eine Auslandskrankenversicherung für den entsprechenden Zeitraum organisiert. Die europäische Krankenversicherung deckt Grundsätzliches ab, greift allerdings ab einem gewissen Schweregrad nicht mehr. Wenn man vorhat viel zu reisen, insbesondere auch in die nahen nicht-europäischen Länder wie Marokko, ist es nicht unbedingt das Schlechteste. Des Weiteren ist es ratsam sich im Vorhinein genau zu informieren, wann das Semester an der Gastuniversität beginnt. Die Studienabschnitte laufen in Portugal vier bis sechs Wochen früher an als in Deutschland, nämlich Anfang Februar (Ende der Vorlesungszeit deswegen auch schon Ende Mai) und Anfang September, weswegen es mit Klausurterminen und der Fertigstellung schriftlicher Arbeiten eng werden kann. Es lohnt sich daher mit den jeweiligen Dozenten zu sprechen, um eine individuelle Lösung zu finden.

Es gibt zahlreiche Flugunternehmen, die von Deutschland aus nach Portugal fliegen: von Lufthansa und AirBerlin über Easyjet und Ryanair. Wenn Coimbra das Ziel ist, bietet sich sowohl der Flughafen in Lissabon als auch in Porto an, Faro ist weniger empfehlenswert. Von da aus kommt man bequem, spontan und zu fast jeder Zeit mit dem Zug (http://www.cp.pt) oder Bus (http://www.rede-expressos.pt) in die Universitätsstadt Coimbra. Das Erasmusprogramm der Universität ist dadurch gekennzeichnet, dass allen Austauschstudierenden ein

„Buddy“ an die Seite gestellt wird. Der jeweilige Kontakt wird einem ca. zwei Wochen vor

Semesterbeginn zugeschickt, so dass man denjenigen oder diejenige mit allen noch anfallenden Fragen löchern kann. Manchmal wird man sogar abgeholt. Es ist allerdings nicht zwingend der

Fall, dass er oder sie an der gleichen Fakultät studiert und sich mit fachspezifischen Angelegenheiten auskennt. Nichts desto trotz wird einem auf diese Weise eine erste Möglichkeit geboten einheimische Studierende kennen zu lernen.

Nachdem man angekommen ist, sollte man innerhalb der ersten Tage gleich zum allgemeinen International Office (DRI: http://www.uc.pt/driic/mobilidade/in) gehen. Hier muss man sich offiziell immatrikulieren und beantragt zugleich den portugiesischen Studentenausweis. Es sollte unbedingt genügend Zeit mitgebracht werden, denn lange Wartezeiten sind normal und unabdingbar, da E-Mails generell unbeantwortet bleiben. Innerhalb der nächsten Tage erhält man dann den Zugang zum studentischen Onlineportal (Inforestudante), wo sich später nachprüfen lässt, für welche Kurse man tatsächlich eingetragen bzw. registriert ist. Hier hat man außerdem Zugriff auf die von den Dozenten hochgeladenen kursspezifischen Arbeitsmaterialien und kann sich für die einzelnen Prüfungen anmelden.

Unterkunft

Wenn man die Zeit hat schon eine Woche vor Beginn des Semesters nach Portugal zu fliegen, findet man ohne Probleme eine neue Bleibe für den Zeitraum seines Aufenthalts und muss sich im Vorhinein nicht damit beschäftigen. Die ersten Tage kann man gut und günstig in einem der drei oder vier Hostels unterkommen. Es ist üblich, dass überall in der Stadt, vor allem aber in der Nähe der verschiedenen Fakultäten, Angebote für einzelne Zimmer aushängen. Natürlich lassen sich entsprechende Annoncen auch schnell im Internet finden, wo man sich zumindest ein allgemeines Bild über den Zustand der Zimmer bzw. Wohnungen sowie der aktuellen Mietpreise verschaffen kann. Die Mieten variieren sehr: In meinem Umfeld haben die einen inkl. Nebenkosten 180,- und die anderen 350,- Euro bezahlt. Die großen Unterschiede sind schwer nachvollziehbar und lassen sich nicht wirklich durch die Wohnqualität oder Lage erklären. Meiner Ansicht nach sollte man nicht mehr als 250,- Euro mit allem drum und dran bezahlen. Dabei handelt es sich in allen (mir bekannten) Fällen um möblierte Zimmer und für gewöhnlich ist auch ein wöchentlicher Reinigungsservice dabei. Die Vermieter sind recht gut auf Erasmusstudierende eingestellt, so dass man mit Englisch keine Probleme bei der Kommunikation haben sollte. Außerdem bietet es sich an innerhalb der ersten Tage schon mal beim ESN-Office (http://www.erasmuscoimbra.com) vorbeizuschauen, wo sich alle Erasmusstudent_innen ihre Vodafonekarte abholen können. Wenn man diese im nächsten Vodafoneshop für 8,- Euro monatlich (kein Vertrag, aber freie SMS und Minuten zu Vodafone) freischalten lässt, bleibt auch der Geldbeutel verschont.

Falls vor Semesterbeginn keine Zeit ist, um sich vor Ort auf Zimmersuche zu begeben, kann man sich mit Facebook eine Menge Stress ersparen. Es gibt dort unterschiedliche Gruppen für Studierende aus dem Ausland. Die wichtigste ist diejenige, die zu Beginn eines jeden akademischen Jahres (z.B. Erasmus Coimbra 2012/2013 oder 2013/2014) von den ESNMitarbeiter_innen gegründet und geleitet wird. Hier werden am Anfang eines neuen Semesters unzählige Zimmer angeboten. Auf diese Weise lässt sich schon von Deutschland aus ein Zimmer organisieren. Das bedeutet allerdings, dass man mit dem Anschreiben eine Menge Aufwand hat, geduldig sein muss und trotz zugesandter Bilder natürlich ein Restrisiko bleibt. Bei vielen war die Wohnsituation sehr informell: Häufig wird gar nicht erst nach dem kompletten Namen oder Ausweis gefragt bzw. kommt ein Vertrag nur selten zustande. Meistens schaut der bzw. die Vermieter_in dann einmal im Monat persönlich vorbei, um die Miete abzuholen. In diesem Zusammenhang kann die Abrechnung der oftmals sehr schwankenden Nebenkosten nicht richtig nachvollzogen werden. Am besten fragt man immer direkt nach der Rechnung.

Das Verständnis vom gemeinschaftlichen Wohnen ist ein anderen als in Deutschland: Die Zimmertüren sind meist geschlossen, eingekauft oder gegessen wird getrennt und am Wochenende fahren die meisten zu ihren Eltern. Genau deswegen war es bei mir so, dass ich zu meinen drei portugiesischen Mitbewohnerinnen sehr wenig Kontakt hatte, zu meinem spanischen Mitbewohner hingegen mehr. Wahrscheinlich gibt es in Coimbra genau aus diesem Grund mehrere Wohnheime für Student_innen aus dem Ausland. Hier sollte man sich bewusst sein, dass fast keine Nacht ohne Musik bzw. das eine oder andere Getränk vergeht.

Studium an der Gasthochschule

Die Soziologie ist in Coimbra an der Faculdade de Economia verankert, die sich leider fernab des wunderschönen und historisch gerühmten Campus befindet. Wenn man sich für einen Sprachkurs entscheidet, der unter dem Semester für alle möglichen Level in ausreichendem Umfang kostenlos angeboten wird, kommt man allerdings auch so zweimal pro Woche in den Genuss des Anblickes und der Räumlichkeiten der ältesten Universität Europas. Bei der Auswahl ihrer Kurse haben die Studierenden der ökonomischen Fakultät schon zu Beginn ihres Studiums wesentlich mehr Freiheiten. Sofern sich die Person, die in Deutschland für die Anerkennung der Leistungspunkte, offen gegenüber anderen Fächern verhält, kann man ohne

Probleme an den Lehrveranstaltungen der Wirtschaftswissenschaften oder Internationale Beziehungen teilnehmen. Hier wird besonders viel in Englisch angeboten. Dass die Wahlmöglichkeit der Student_innen sehr viele Vorlesungen und Seminare aus dem Spektrum der gesamten Fakultät betrifft, empfand ich die Atmosphäre zur Abwechslung als wohltuend interdisziplinär. Ein weiterer Unterschied ist, dass eine Lehrveranstaltung zweimal pro Woche stattfindet, einmal für das theoretische Fundament und einmal zur praktischen Anwendung dessen. Hieraus ergibt sich ein besserer Lerneffekt. Hinzu kommt, dass die einzelnen Sitzungen wesentlich lockerer sind, was das Verhältnis zwischen Dozenten und Studierenden betrifft. Die Prüfungsleistungen habe ich nicht als anspruchsvoller, aber als wesentlich aufwändiger empfunden. Für einen Kurs bekommt man in der Regel sechs Credits, die man durch zwei unterschiedliche Verfahren erlangen kann: Bei der ersten Variante muss man bei wenigstens 75 Prozent der Lehrveranstaltungen anwesend sein, zwei bis drei kurze Referate halten, eine schriftliche Arbeit von zehn Seiten verfassen und eine Klausur schreiben. Die Bewertung erfolgt mit Hilfe eines 20-Punktesystems, wobei zum einen maximal zehn Punkte auf Grundlage der Referate und das Essays vergeben sowie zum anderen auf Grundlage der Klausur. Bei der zweiten Variante muss man nicht mal Präsenz zeigen, sondern schreibt lediglich die Klausur am Ende mit, die dann insgesamt 20 Punkte zählt. Bei beiden Verfahren sind zehn Punkte nötig, um den Kurs zu bestehen. Die meisten der Portugies_innen haben sich tatsächlich für die erste Variante entschieden: Da die Note nicht die Relevanz erfährt wie in Deutschland, sparen sich die meisten den Druck in der Klausur zumindest zehn Punkte zu bekommen.

Alltag und Freizeit

Coimbra ist voll mit (internationalen) Student_innen. Jeden Mittwoch und Donnerstag kann man die Party- und Trinklustigen den einen oder anderen Hügel hinauf hören. Es gibt eine Menge sogenannter Erasmuspartys, die sich in viel zu kleinen und deswegen überfüllten Clubs abspielen. So schön es ist, dass man die Stadt schnell überblicken kann, so schade ist es, dass man nach einer Weile auch schnell an seine Grenzen kommt. Je nachdem, was man gewohnt ist, kann einem die Stadt relativ fix sehr klein und beschränkt vorkommen. Natürlich gibt es verschiedene Bars, Cafés, Restaurants, ein sehr zu empfehlendes kleines Theater, Schwimmbäder, Kinos sowie Einkaufszentren, allerdings liegen letztere meist etwas außerhalb und sind mit ungewohntem Aufwand verbunden. Die Busse fahren selten, unregelmäßig und abends nicht sehr lange, weshalb es nicht ungewöhnlich war, dass ich zwei Stunden am Tag mit Hin- und Herlaufen verbracht habe. Aufgrund der Hügel kommt es außerdem nicht in Frage die Strecken mit dem Fahrrad zurückzulegen. Im Nachhinein war es Glück, dass meine WG nicht allzu weit von der „Praça“ entfernt war, denn da ist das Nachtleben nicht weit.

Tipps

In den Wohnungen gibt es keine Heizungen, weshalb für den Zeitraum von November bis April definitiv an einen warmen Pullover, dicke Strümpfe und am besten noch an einen Schlafsack für die Nacht zu denken ist. Zögert auch nicht lange mit der Beschaffung eines Heizlüfters! Außerdem regnet es im Winter und Frühjahr fast jeden zweiten Tag. Also auch die Regenjacke und wasserfestes Schuhwerk einpacken! Es lohnt sich. Gönnt euch was – Erasmus macht man kein zweites Mal – und ladet euch nicht zu viel Besuch ein. Mit 400,- Euro (ohne Wohnkosten) könnt ihr in Coimbra gut leben: Lebensmittel sind für gewöhnlich etwas teuer als in Deutschland, das Nachtleben hingegen wesentlich günstiger. Da man in Portugal außerdem gut und günstig mit dem Bus unterwegs ist, kann ich nur dazu raten von Anfang an durch das Land zu reisen. In Lissabon und Porto ist wesentlich mehr los und es gibt wesentlich mehr zu entdecken. Insbesondere wenn man nur ein Semester Zeit hat, vergeht diese viel zu schnell und wird am Ende knapp. Zu guter Letzt gibt es wahnsinnig billige Nachtzüge nach Madrid (20,- Euro) sowie Flüge nach Madeira und zu den Azoren (30,- Euro).