Recently published: "Flüchtige Leben, gesundheitliche Versorgung: Medizin und Migration – ein Kongress-Bericht" (Medizinethnologie-Blog)
Caroline Meier zu Biesen
News vom 16.01.2018
„Die Malaria der Migranten – das Gesundheitsministerium räumt ein: wir importieren die Krankheit durch die Ausländer“ titelte Anfang September 2017 die italienische Zeitung Libero. Anlass des Berichts: Der Malaria-Tod einer Vierjährigen im norditalienischen Brescia. Mit Ausnahme einiger lokal akquirierter Malariainfektionen („Airport-Malaria“) wurden nach 1974 keine autochthonen Malaria-Fälle mehr in Europa registriert. Der Malariafall erregte entsprechendes Aufsehen in den Medien und unter der europäischen Ärzteschaft (ProMED 2017), denn das Mädchen war selbst nie in einem Endemiegebiet gewesen. Im Krankenhaus in Trient war sie ursprünglich wegen Diabetes behandelt worden. Zum Zeitpunkt ihres Aufenthalts befand sich dort auch ein an Malaria erkranktes Geschwisterpaar aus Burkina-Faso. Dieses hatte sich während eines Heimaturlaubes infiziert. Bald wurde gemutmaßt, im Gepäck der afrikanischen Familie sei eine infizierte Überträgermücke in die Klinik eingeschleppt worden. Obwohl dies aus medizinischer Sicht als äußerst unwahrscheinlich gilt, hielt sich diese Hypothese hartnäckig in den Medien.
Fremd, krank, gefährlich, ansteckend: Mit diesem Feindbild arbeiten einige Medien und auch ein Teil der offiziellen Gesundheitsversorgung in Italien. Der Fall des Mädchens zeigt beispielhaft Konfliktfelder auf, die Salvatore Geraci, Historiker mit Schwerpunkt Migrationsmedizin, mit dem Begriff Salgari Syndrom beschreibt: Das Leiden unter Vorbehalten, falschen Imaginationen von „fremden“ Kulturen. Der Begriff Salgari Syndrom geht auf den Veroneser Schriftsteller Emilio Salgari zurück. Dieser erzählte konsequent aus der Perspektive eines mysteriösen Fremden von zivilisationsfernen Abenteuer-Settings im Zeichen von „Exotik“, ohne selbst je gereist zu sein. In ähnlicher Form, das heißt ohne inhaltliche Auseinandersetzung, werden aktuell Ängste in den Vordergrund geschoben, wie etwa die vor ansteigenden Infektionen, um MigrantInnen als „Gefahr für die Volksgesundheit“ darzustellen (vgl. Heinz & Kluge 2012). [mehr]