Lehrveranstaltungen im Berufsfeldbereich Politische Erwachsenenbildung am OSI im Sommersemester 2001
Dr. Aribert Rothe
15379 HS - Praxis politischer Erwachsenenbildung in der DDR und in den östlichen Bundesländern: Spezifika, Kontinuitäten, Wandel am Beispiel der evangelischen Erwachsenenbildung Thüringen
Fr. 11.05.01/ 11-17 Uhr - Fr. 08.06.01/ 11-18 Uhr - Sa. 09.06.01/10-17 Uhr - Fr. 29.06.01/11-17.30 Uhr jeweils im Container 4 Fabeckstraße (vor der Silberlaube, rechter Eingang)
Kommentar
Forschungsfragen und -aspekte:
- Welche Formen einer gesellschaftskritischen politischen Erwachsenenbildung (pEB) jenseits ideologischer Schulung und Funktionalisierung hat es in der DDR gegeben?
- Durch welche spezifischen Merkmale ist pEB unter den Bedingungen des staatsideologisch vereinheitlichten DDR-Volksbildungssystems zu kennzeichnen?
- Inwieweit hat sich das protestantische Bildungshandeln unter dem staatlichen Bildungsmonopol dem politisch-ideologischen und rechtlichen Koordinatensystem der DDR angepaßt?
- Welche Beiträge hat die politische Erwachsenenbildungspraxis zur Herausbildung der demokratischen Selbstorganisation der Basisgruppen, Bürgerbewegungen und Parteien erbracht?
- Kontinuitäten, Wandlungen, Neuaufbau und Institutionalisierung pEB nach 1990 in den östlichen Bundesländern am Beispiel der Landesorganisation Evangelische Erwachsenenbildung Thüringen (EEBT)
- Welche Aufgaben und Ziele verfolgt pEB im "neuen" System der Bundesrepublik?
- Hat sich das Bildungsverhalten der Ostdeutschen bezüglich Angeboten pEB verändert? Welche Angebote werden (nicht) angenommen?
- Was sind spezifische Herausforderungen für eine aktuelle pEB in der ostdeutschen (Thüringer) Situation?
Stichworte zum gesellschaftspolitischen Rahmen pEB in der DDR:
- Das einheitliche staatliche Bildungssystem: vom linken Volksbildungsprojekt zur Erziehungsdiktatur + Uniformität als Leitbild + Bekenntnis und Treue als politisch-ideologische Erziehungsziele + politisch-ideologische Selektion in den Bildungs-zugängen
- Die staatsideologische Aufgabe der Erwachsenenbildung: Erwachsenen-bildungseinrichtungen als Basis der politisch-ideologischen Volkserziehung + Volksbildungstradition und politisch-ideologische "didaktische Prinzipien" + Erwachsenenbildung oder Erwachsenenqualifizierung?
- Die "wissenschaftliche Weltanschauung" als integraler Bestandteil der Erziehungs- und Bildungsprozesse: stalinistischer Umerziehungsansatz + antikirchliche Religionskritik als Erziehungsmittel + geschichtsmetaphysische "Wissenschaftlichkeit"
- Die politische Bildung: Bildungsdefizit und Dominanz militärpolitisch-ideologischer Schulung + Anpassung und Verblendung + Nationalsozialismus als Vergleichstabu - Antifaschismus als Staatsdoktrin + Aufklärung als Gegenprogramm - Mündigkeit als Aufgabe + Teil- und Ersatzöffentlichkeit Entzauberung des Wahrheitsmonopols + Kompetenz der Betroffenheit + kritische Synergien + fermentive Kraft + zum unaufgeklärten DDR-Bild in Teilen westdeutscher politischer Bildung
Exemplarische Praxisfelder:
Vor 1989/90: Gemeindeseminare + Hauskreise und Gruppen + Mündige Arbeitsgemeinschaften (Basisstruktur für Bürgerbewegung und Parteibildung) + Ost-West-Begegnungen + Evangelische Jugendarbeit + Studentengemeinden (Studentengremien, Arbeitskreise politischer Bildung) + Friedensethische Bildungsarbeit (Friedensgruppen, Friedensdekade, Friedensseminare) + Ökologische Bildungsarbeit + Bildungsreform-bewegung (Volksbildung als Tabuzone)
Nach 1989/90: Erfurter Stadtakademie "Meister Eckhart"
Zur Einrichtung:
Die EEBT wurde als anerkannter förderfähiger freier Bildungsträger 1991 unter Vorsitz von Dr. A. Rothe gegründet. Ihre Entstehungs- und Wachstumsgeschichte illustriert exemplarisch die jüngste Demokratisierungs- und Institutionalisierungsphase deutscher Erwachsenenbildung. Ihre traditionsreichen Wurzeln reichen in die gemeindliche Bildungsarbeit, kirchlich "eingehegte" freie Volksbildungsbewegung und selbstorganisierte gesellschaftskritische Bildungsarbeit protestantischer Gruppen. Neue Praxisfelder im öffentlichen Raum wie die Erfurter Stadtakademie "Meister Eckhart" und Kooperationsformen sind dazugekommen.
Literatur: Bartel, W., Evangelische Erwachsenenbildung in der DDR; in: EB: Berichte und Informationen der Erwachsenenbildung in Niedersachsen, 22 (1990) 1 (47), 10 11; Rothe, A., Evangelische Erwachsenenbildung in der DDR und ihr Beitrag zur politischen Bildung, Leipzig 2000; Rothe, A., Exemplarische Quellentexte und Themendokumentationen zur evangelischen Jugend- und Erwachsenenbildung (Quellenband), Leipzig 2000 ; Rothe, A., Zur existentiellen Dimension der Erwachsenenbildung in der ehemaligen DDR. Eine Fallstudie aus der kirchlichen Erwachsenenbildung; in: Friedenthal-Haase, M., Personality and Biography in the History of Adult Education. Vol.I: General, Compaative, and Synthetic Studies (Studies in Pedagogy, Andragogy, and Gerontagogy, Edited by Franz Pöggeler, Vol. 38), Frankfurt a. M., Berlin, Bern, New York, Paris, Wien 1998, 279-300; Sept-Hubrich, G., Messerschmidt, A., Mancher Abschied ist schön. Perspektiven für politische Bildung nach dem Ende der Blockkonfrontation, Karlsruhe 1994; Vogel, P., Woher wir kommen - Anmerkungen zur evangelischen Erwachsenbildung in der Sächsischen Landeskirche; in: Landesstelle der EEB Sachsen (Hg.), Wurzeln und Anfänge, Blätter spezial, Dresden 1997
Schlagwörter
- Politische Erwachsenenbildung, Außerschulische Jugendbildung, Otto-Suhr-Institut, Freie Universität Berlin