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Vortrag und Ortsbegehung | Forensik, Archäologie und Formen von Gewalt. Vom Umgang mit menschlichen Überresten an und jenseits der FU

20.06.2022 | 18:00 c.t. - 19:45

Im Rahmen des vom Projekt "Geschichte der Ihnestraße 22" ausgerichteten OFFENEN HÖRSAALS "Eugenik – Entmenschlichung – Erinnerung" sprechen Anne Huffschmid (Freie Universität Berlin) und Susan Pollock (Freie Universität Berlin) über "Forensik, Archäologie und Formen von Gewalt. Vom Umgang mit menschlichen Überresten an und jenseits der FU".

Im Anschluss Begehung des ehemaligen Geländes des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik mit dem Team des Projekts „Geschichte der Ihnestraße 22“.

Ab 2014 wurden auf dem ehemaligen Gelände des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik (KWI-A) in Berlin-Dahlem fragmentierte Überreste tierischer und menschlicher Knochen sowie Objekte geborgen. Archäologische Untersuchungen erbrachten unter anderem, dass ein Teil der Überreste vermutlich aus den anatomisch-anthropologischen Sammlungen des KWI-A stammt und dass eine Verbindung zu Konzentrations- und Vernichtungslagern des Nationalsozialismus nicht ausgeschlossen werden kann. Es bleiben viele offene Fragen.

Der Abend widmet sich der Frage, was archäologische und forensische Methoden im Hinblick auf die Identifizierung von unbekannten Toten und ihrer Todesumstände leisten können und wo ihre Grenzen liegen. Anne Huffschmid zeichnet nach, wie sich ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Feld der „Menschenrechtsforensik“ herausbildete und stellt Momente ihrer Anwendung in verschiedenen Ländern vor. Susan Pollock fasst die Ergebnisse der in Berlin-Dahlem erfolgten archäologischen Grabungen und Untersuchungen zusammen und weist auf offene und ethisch sensible Fragen hin. Wann ist eine Identifizierung von Individuen möglich und wünschenswert? Inwiefern tragen forensische Verfahren zur juristischen Aufarbeitung von Massengewalt bei? Wie können Archäologie und Forensik aber auch Muster von Gewalt offenlegen? Über diese Fragen reflektieren beide miteinander.

Anne Huffschmid arbeitet als Kulturwissenschaftlerin, Filmautorin und Kuratorin in Berlin. Sie forscht, lehrt und publiziert vor allem zu städtischem Raum, Gewalt und sozialer Erinnerung, Diskurspolitik und Visual Culture, mit Schwerpunkt auf Lateinamerika und insbesondere Mexiko. In ihren Forschungs- und Lehrprojekten, die am Lateinamerika-Institut der FU Berlin angesiedelt sind, erprobt sie explorative Methoden, in denen analytische und ethnographische, fotografische und audiovisuelle Zugänge kombiniert werden. Ihre letzte Langzeitstudie „Forensische Landschaften“ (2013–2020) beschäftigte sich mit der lateinamerikanischen „Menschenrechtsforensik“ und dem, was sie als „forensischem Widerstand“ konzipiert hat, sowohl seitens regierungsunabhängiger Expert:innen wie auch von gewaltbetroffenen Familienangehörigen. Aus diesem Filmforschungsprojekt sind – neben einer Vielzahl von deutsch-, spanisch- und englischsprachigen Veröffentlichungen (darunter „The Human Remains. Forensic Landscapes and Counterforensic Agencies in Violent Presents“ (2020) – die Filme „Persistence“ (2019) und „Sensitive Data“ (2020) sowie die interaktive Webdokumentation „Forensic Landscapes“ (2020) entstanden. Alle drei wurden für renommierte internationale Filmfestivals ausgewählt und dort auch prämiert.

Susan Pollock ist Professorin am Institut für Vorderasiatische Archäologie der Freien Universität Berlin. Sie war bis 2009 Professorin im Department of Anthropology an der Binghamton University (USA). Ihre langjährigen Forschungsinteressen am alten Westasien führten zu Feldarbeiten im Irak, dem Iran, der Türkei, und Turkmenistan. Thematisch liegen Schwerpunkte ihrer Arbeit in politischer Ökonomie, feministischen Ansätzen in der Archäologie und Theorien zu Subjektivierung und Materialität. Im letzten Jahrzehnt arbeitet sie zunehmend in der Archäologie des 20. Jahrhunderts, wo sie sich mit politisch-ethischen Fragen und der Frage des Umgangs mit Leiden als historisch-archäologischem Phänomen beschäftigt.

Zeit & Ort

20.06.2022 | 18:00 c.t. - 19:45

Fachbereich Rechtswissenschaft, Hörsaal 1, Van't-Hoff-Straße 8, 14195 Berlin-Dahlem (U Thielplatz, mit Aufzug).
Der Hörsaal ist barrierefrei zugänglich.

Weitere Informationen

Anmeldungen bitte an ihne22@polsoz.fu-berlin.de

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