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Projektantrag und Kurzbeschreibung

Projektantrag und Kurzbeschreibung

Projektantrag


Kurzbeschreibung

Problemstellung

Die Institutionen der Europäischen Union - vor allem die Europäische Kommission - haben in der öffentlichen Wahrnehmung ein schlechtes Image. Sie gelten häufig als überbürokratisiert und demokratisch unkontrolliert. Man sagt ihnen nach, dass sie mit ihrer Regelungswut die Freiheiten der Nationalstaaten und deren Bürger einschränken und die Gesellschaften überregulieren. An vielen Missständen ist „Brüssel schuld“. Die Verantwortung für gesellschaftliche Problemlagen, für Erfolge und Misserfolge ist aber nicht naturgegeben. Die Verantwortung für Handlungen müssen Akteuren von anderen Akteuren zugeschrieben werden, ihnen liegen Attributionsprozesse zugrunde. Der Prozess der Attribution von Verantwortung findet in modernen Gesellschaften vor allem in der massenmedialen Öffentlichkeit statt. Wir vermuten, dass das schlechte Image der Institutionen der EU das Resultat eines öffentlichen Attributionsprozesses ist, der strukturelle Gründe hat.

Hypothesen

Wir analysieren die Attributionsmuster von Verantwortung im Länder-, Zeit- und Medienvergleich und gehen von folgenden Hypothesen aus:

1. Die nationalstaatlich versäulte Struktur von Öffentlichkeit und die strukturelle Öffentlichkeitsschwäche der EU-Institutionen führen dazu, dass sich die nationalen Regierungen Erfolge selbst zuschreiben, Misserfolge hingegen den Institutionen der Europäischen Union zugeschrieben werden, was langfristig die Gefahr der Delegitimierung der Institutionen der EU birgt.

2. Wir gehen von der Hypothese aus, dass in Ländern, die durch eine EU-kritische Haltung gekennzeichnet sind, die Schuldattribution für Misserfolg an die Institutionen der EU höher sein wird als in Ländern, die eher EU-freundlich orientiert sind (Ländervergleich).

3. Wir vermuten, dass im Zeitverlauf (1994-2003) das Ausmaß der Schuldattribution für Misserfolg an die EU-Organe schwächer geworden ist, da sich a. die Öffentlichkeitsarbeit der Institutionen der EU intensiviert hat und b. die europäisch arbeitenden Journalisten als Gegeninterpreten zu den nationalen Regierungen an Bedeutung gewonnen haben (Zeitvergleich).

4. Schließlich gehen wir von der Vermutung aus, dass je nach ideologischer Orientierung einer Zeitung die Attribuierung von Verantwortung unterschiedlich ausfällt: Zeitungen, die der Regierung nahe stehen, nehmen seltener konkurrierende Deutungen der EU-Kommission auf und stellen seltener die Verantwortungszuschreibung der nationalen Regierung in Frage, als Zeitungen, die der Opposition nahe stehen (Medienvergleich).


Forschungsmethoden

Mit Hilfe einer systematischen Inhaltsanalyse von Tageszeitungen untersuchen wir ländervergleichend (Deutschland, Großbritannien), zeitvergleichend (1994-2003) und medienvergleichend (Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, The Guardian, The Times), wie die Rolle der EU-Institutionen, vornehmlich der Europäischen Kommission, bei politischen Entscheidungen in den Massenmedien interpretiert und wem die Verantwortung für Entscheidungen attribuiert wird.

Im Mittelpunkt der Codierung steht die Identifikation einer bestimmten Konstellation von Akteuren: ein Akteur A (Attributionssender), der mit seiner Aussage einem weiteren Akteur B (Attributionsadressat) in Bezug auf einen bestimmten EU-politischen Gegenstand (Attributionsgegenstand) Verantwortung zuweist.

Zusätzlich zu der Inhaltsanalyse führen wir Leitfadeninterviews mit den Journalisten der untersuchten Zeitungen, ihren Korrespondenten in Brüssel und Vertretern der EU-Kommission im Bereich Öffentlichkeitsarbeit durch. Diese Interviews sollen nach einer ersten Auswertung der Inhaltsanalyse erfolgen. Mit den Interviews wollen wir Hintergrundinformationen über die Strategien der Medien in der Darstellung europäischer Themen eruieren, die Einschätzung der Journalisten der Professionalität der Öffentlichkeitsarbeit der verschiedenen kollektiven Akteure rekonstruieren und unsere Befunde durch die Experten validieren lassen.

Soziologie - Euiropäische Gesellschaften