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Educational Expansion, Social Class, and Choosing Latin as a Strategy of Distinction

Gerhards, Jürgen, Ulrich Kohler & Tim Sawert. 2021.

News vom 30.11.2021

In: Educational Expansion, Social Class, and Choosing Latin as a Strategy of Distinction. Zeitschrift für Soziologie, vol. 50, no. 5, pp. 306-321. DOI

Zusammenfassung

In Zeiten der Bildungsexpansion sind sozial privilegierte Familien auf der Suche nach neuen Strategien der Distinktion, um ihre Kinder von denen bildungsferneren Elternhäusern abzugrenzen. Unter Bezugnahme auf Pierre Bourdieus Theorie der Distinktion argumentieren wir, dass die Wahl von Latein in der Schule – einer Sprache, die nicht mehr gesprochen wird und daher keinen direkten Nutzen hat – eine der Strategien privilegierter Familien ist, sich von weniger privilegierten Familien abzugrenzen. Auf der Grundlage von zwei an deutschen Schulen durchgeführten Umfragen analysieren wir den Zusammenhang zwischen dem Bildungshintergrund der Eltern und der Wahrscheinlichkeit, dass ihr Kind Latein lernt. Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder aus historisch akademischen Elternhäusern am häufigsten Latein lernen, gefolgt von sogenannten neuen akademischen Familien und – mit großem Abstand – von den nicht-akademischen Familien. Wir unterscheiden vier kausale Mechanismen, die zur Erklärung der gefundenen Zusammenhänge beitragen könnten: Kulturelle Distinktion im engeren Sinne, die Wahl eines sozial exklusiven Lernumfelds, der Glaube an eine sekundäre instrumentelle Funktion des Lateinlernens und die räumliche Nähe zwischen dem Standort humanistischer Gymnasien und dem Wohnort der Familie. Die Hypothesen werden mit Hilfe von gerichteten azyklischen Graphen (DAG) formalisiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die Wahl von Latein in erster Linie eine unbeabsichtigte Folge der Wahl eines sozial exklusiven Lernumfelds ist. Darüber hinaus zeigen die Analysen, dass insbesondere historisch akademische Familien die Wahl von Latein als Strategie der kulturellen Distinktion einsetzen.

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