Die „antiretrovirale Therapie“ in Tansania: Globale Machtstrukturen und lokale Handlungskompetenz
Erst seit wenigen Jahren ermöglicht die antiretrovirale Therapie (ART) im subsaharischen Afrika HIV-positiven und an AIDS erkrankten Menschen die Reintegration in familiäre und soziale Kontexte sowie die Rückkehr in einen aktiven Lebensalltag. Angesichts infrastrukturell schwieriger Ausgangsbedingungen für die dauerhafte Umsetzung der Therapie implizieren die durch die Medikamente geweckten Hoffnungen dabei nachhaltige Herausforderungen.
Der nach wie vor eingeschränkte Zugang zu den antiretroviralen Medikamenten, sowie die Notwendigkeit intensiver medizinischer Versorgung und der Langzeitkontrolle einer schnell wachsenden Anzahl von PatientInnen bergen nicht nur medizinische und logistische Probleme bei der Implementierung der Behandlung. Die drohende Entwicklung resistenter Virenstämme durch unzureichendes Befolgen des komplizierten Behandlungsablaufs zeigt auch die Dringlichkeit sozialwissenschaftlicher Forschung: Über das medizinische Setting hinaus kann insbesondere die ethnologische Perspektive die Einbettung der Medikamente in den Lebensalltag und die weiteren Erfahrungszusammenhänge einzelner PatientInnen, ihrer Familien und ihres sozialen Umfelds beleuchten.
Dieses Forschungsprojekt untersucht die soziale und kulturelle Aneignung antiretroviraler Behandlungsprogramme in Tanga, einer Stadt an der Küste Tansanias. Es erforscht die strukturellen Bedingungen des Zugangs zu den Medikamenten sowie das Leben und den individuellen Umgang mit den strikten medizinischen Vorschriften. Durch die Einbeziehung von Gesundheitspersonal, PatientInnen und Familienmitgliedern, Vertretern traditioneller Heilmethoden und politischen Entscheidungsträgern verfolgt das Projekt eine multiperspektivische Sicht auf die komplexe Thematik der Versorgung und des Lebens mit ART im urbanen Tansania.
Förderung: Fritz-Thyssen-Stiftung
Projektleitung: Prof. Dr. Hansjörg Dilger
Publikationen
- Mattes, Dominik (im Druck): ""Life is not a rehearsal, it’s a performance'. An ethnographic enquiry into the subjectivities of children and adolescents living with antiretroviral treatment in northeastern Tanzania". In: Children and Youth Services Review.
- Mattes, Dominik (2014): The blood of Jesus and CD4 counts: Dreaming, developing and navigating therapeutic options for curing HIV/AIDS in Tanzania. In: Rijk van Dijk, Hansjörg Dilger, Marian Burchardt und Thera Rasing (Hg.): Religion and AIDS-Treatment in Africa: Saving Souls, Prolonging Lives. London: Ashgate.
- Mattes, Dominik (2014): "Caught in Transition: The struggle to live a ‘normal’ life with HIV in Tanzania". In: Medical Anthropology.
- Mattes, Dominik (2012): "'I am also a human being!': Antiretroviral treatment in local moral worlds". In: Anthropology & Medicine 19(1): 75-84.
- Mattes, Dominik (2011): "'We Are Just Supposed to Be Quiet': The Production of Adherence to Antiretroviral Treatment in Urban Tanzania". In: Medical Anthropology 30(2). 158-182.