Neue Publikation: „Shame must change sides: Affective media practices and the Mazan rape cases on TikTok“
Der Aufstieg digitaler Plattformen hat den feministischen Aktivismus tiefgreifend verändert und neu geprägt, wie über sexualisierte Gewalt gesprochen, sie bezeugt und bekämpft wird. In einem neuen Beitrag, erschienen in Media, Culture & Society, untersuchen unsere Kolleginnen Annabella Backes, Margreth Lünenborg und Kerstin Schankweiler die Reaktionen auf die sogenannten Mazan-Vergewaltigungsfälle auf TikTok und konzentrieren sich dabei auf die eindrucksvolle Aussage der Überlebenden Gisèle Pelicot: „Die Scham muss die Seite wechseln.“
News vom 29.10.2025
Auf der Grundlage von 8.229 TikTok-Beiträgen, die deskriptiv ausgewertet wurden, und 280 Beiträgen, die einer qualitativen Analyse unterzogen wurden, erforschen die Autorinnen, wie affektive Medienpraktiken entstehen, welche Formen sie annehmen und wie Scham in diesem Kontext verhandelt wird. Sie identifizieren fünf zentrale Praktiken:
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Feministische Bildung erklärt den Fall und bettet ihn in einen größeren gesellschaftlich-politischen Kontext ein – affektiv reicht dies von nüchterner Darstellung bis zu zynischer Empörung.
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Affektives Zeugnisgeben zeigt sich im öffentlichen Teilen von Gefühlen wie Ungläubigkeit und Angst und stärkt das kollektive Betroffensein.
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Ikonisierung stellt Pelicot als feministische Heldin dar und verschiebt den Diskurs von Scham zu Stolz.
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Beschämung richtet sich gegen die gesellschaftliche Straflosigkeit der Täter und folgt Pelicots Aufruf, die Scham auf sie zu übertragen.
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Feministische Querverweise verknüpfen den Fall mit breiteren Kämpfen und festigen feministische Solidaritätsnetzwerke.
Die Studie verdeutlicht die komplexe Rolle von Scham im öffentlichen Diskurs und zeigt, wie TikTok zugleich als Ort affektiver Auseinandersetzung und als Medium eines vernetzten Feminismus fungiert. Sie illustriert, wie affektive Medienpraktiken im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt innerhalb einer dynamischen, algorithmisch strukturierten und flüchtigen Plattformumgebung ausgehandelt werden.
Diese Publikation leistet einen wichtigen Beitrag zur Forschung des SFB „Affective Societies“ über die Verflechtungen von Affekt, Medien und digitalen Öffentlichkeiten und bietet neue Einblicke darin, wie Emotionen den zeitgenössischen feministischen Aktivismus prägen – und selbst von ihm geprägt werden.
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