Springe direkt zu Inhalt

Das Institut im Nationalsozialismus

Emil Dovifat bei einem Vortrag auf einem Schulungsabend für die Scherl-Gefolgschaft im Studentenheim in der Oranienburger Straße in Berlin, veranstaltet von der Deutschen Arbeitsfront, 16. Oktober 1942

Emil Dovifat bei einem Vortrag auf einem Schulungsabend für die Scherl-Gefolgschaft im Studentenheim in der Oranienburger Straße in Berlin, veranstaltet von der Deutschen Arbeitsfront, 16. Oktober 1942
Bildquelle: Scherl / Süddeutsche Zeitung Photo

Dovifat, E. (1944). Zeitungslehre I. Sammlung Göschen.

Dovifat, E. (1944). Zeitungslehre I. Sammlung Göschen.
Bildquelle: FU Berlin, Sozialwiss. Bibliothek

Das NS-Regime erlangte nach der Machtübernahme auch Kontrolle über das Institut, das ab 1935 wie alle Facheinrichtungen einheitlich Institut für Zeitungswissenschaft hieß. Die Posten in der Trägergesellschaft übernahmen Politiker der NSDAP und konforme Vertreter der gleichgeschalteten Berufsverbände von Journalisten und Zeitungsverlegern. Eine neue Abteilung des Instituts beschäftigte sich mit Zeitschriften und auch der Reichsverband der deutschen Zeitschriftenverleger beteiligte sich an der Finanzierung des Instituts. Das Propagandaministerium erhielt über die Deutsche Gesellschaft für Zeitungswissenschaft Einfluss. Die Lehr- und Forschungstätigkeit Dovifats wurde lediglich durch eine vorübergehende Emeritierung als Professor 1934 für wenige Wochen unterbrochen – Institutsdirektor blieb er durchgehend. Dovifat, der eigentlich dem politischen Katholizismus nahestand, passte seine Veröffentlichungen wie die Neuauflagen des Lehrbuchs Zeitungskunde (1931, 1937, 1944) an die faschistische Ideologie an. Schon in der Weimarer Republik hatte der Zeitungswissenschaftler mit zahlreichen Reden, etwa vor Verbänden, in die Gesellschaft gewirkt. Seine Vortragstätigkeit setzte er auch nach 1933 fort und sprach für Staats- und Parteiorganisationen oder die Wehrmacht. Im Fach versuchte Dovifat, Lehre und Forschung auf alle „publizistischen Führungsmittel“ auszuweiten. Die Beschäftigung mit Film und Rundfunk stieß jedoch auf Widerstand der Machthaber, die die Zeitungswissenschaft auf die Presse beschränken wollten.

Lehrplan der Zeitungswissenschaft. Monatsschrift für Internationale Zeitungsforschung, Februar 1935.

Lehrplan der Zeitungswissenschaft. Monatsschrift für Internationale Zeitungsforschung, Februar 1935.

Walther Heide

Walther Heide
Bildquelle: Fotograf: unbekannt / Atlantic Photogesellschaft m.b.H. / Privatarchiv Ingrid Klausing

Nicht nur in Berlin stellten sich die Fachvertreter in den Dienst des Regimes. Sie wurden dafür mit dem institutionellen Ausbau der Zeitungswissenschaft belohnt. Waren in der Weimarer Zeit vor allem außerplanmäßige Professuren eingerichtet worden, erhielt das Fach nach 1933 an viele Universitäten Ordinariate. Zudem stieg die Zeitungswissenschaft zum Hauptfach mit Habilitationsrecht und Alleinverantwortlichkeit für Dissertationen auf. Mehrere neue Standorte wurden eingerichtet, etwa an der Universität in Königsberg, in Prag und Wien. Hinter dieser Aufwertung standen zwei Erwartungen des NS-Staates: Produktion von Wissen über Propaganda und Ausbildung von regimekonformen Journalisten. Die Machthaber erkannten das Studium als Teil der obligatorischen Schriftleiterausbildung an. 1935 vereinheitlichten sie den Lehrplan für alle Institute. Walther Heide trieb als Beamter im Propagandaministerium und Präsident des Deutschen Zeitungswissenschaftlichen Verbands die Gleichschaltung des Fachs und die Anpassung an die NS-Politik voran. Der Ausbau des Fachs ging auf Kosten der Wissenschaftler, die nicht in das Weltbild des Regimes passten. Entlassungen und antisemitische sowie politische Verfolgung erzwangen einen personellen Wechsel an den Instituten. Aufgrund der Verfolgung von Wissenschaftlern und der ideologischen Ausrichtung des Fachs gingen Ansätze einer interdisziplinären, soziologischen und sozialpsychologischen Kommunikationsforschung verloren. 

Walther Heide (1894-1945?) war wichtiger wissenschaftspolitischer Organisator der Gleichschaltung des Fachs im Nationalsozialismus. Seit Beginn der 1920er Jahre hatte der promovierte Historiker mit programmatischen Aufsätzen den Ausbau der Zeitungswissenschaft gefordert, von dem er sich eine eigene Professur erhoffte. Als Verfasser nationalistischer Propaganda knüpfte er ein Netzwerk in Politik, Wissenschaft und Presse, 1927 stellte ihn die Presseabteilung der Reichsregierung als Referenten an. Ab 1926 gab er gemeinsam mit seinem Freund Karl d’Ester, Münchener Professor für Zeitungswissenschaft an der Universität München, das Fachorgan Zeitungswissenschaft heraus.

Kritik am Ehrengrab für Dovifat in der studentischen Zeitschrift "Lankwitz Telegraph", Nr. 30, 8. Mai 1990, S. 1

Kritik am Ehrengrab für Dovifat in der studentischen Zeitschrift "Lankwitz Telegraph", Nr. 30, 8. Mai 1990, S. 1

Stephan Russ-Mohl (1995)

Stephan Russ-Mohl (1995)
Bildquelle: Foto: Marius Sobolewski / FU Berlin, UA, Foto-Slg., Foto/10073

Bernd Sösemann

Bernd Sösemann
Bildquelle: Fotograf: Unbekannt I FU Berlin, UA, Foto/11246

Alexander von Hoffmann (1982)

Alexander von Hoffmann (1982)
Bildquelle: Fotograf: unbekannt / privat

Armin Scholl (2017)

Armin Scholl (2017)
Bildquelle: Foto: Susanne Lüdeling

Juliane Pfeiffer

Juliane Pfeiffer
Bildquelle: Foto: Mathias Schäfer

Da sich die Berliner Publizistikwissenschaftler zunächst kaum mit dem belasteten Forscher beschäftigten, geriet Dovifat nahezu in Vergessenheit. Doch seit Mitte der 1980er Jahre rehabilitierten die Professoren Bernd Sösemann und Stephan Russ-Mohl Dovifat in mehreren Publikationen als Traditionsstifter des Instituts und lösten eine Debatte über seine Rolle im Nationalsozialismus aus. Forum für diese Debatte wurden die Studentenzeitschriften. Im Lankwitz-Telegraph wurde 1990 etwa der unkritische Umgang des Fachbereichs Kommunikationswissenschaften mit den Plänen moniert, ein Ehrengrab für Emil Dovifat einzurichten.

----------

„So reihen sich Mutproben, Verrenkungen und Verirrungen aneinander und dokumentieren eine Gratwanderung, wie sie das NS-Regime von fast allen erzwang, die sich ihm nicht vorbehaltlos unterwarfen.“ (1987)

Stephan Russ-Mohl, 1985 bis 2001 Professor für Journalismus und redaktionelle Organisation

----------

„Seine Wege führten ihn, der von der Gestapo fortlaufend überwacht wurde [...], nicht in den Widerstand, aber in die Nähe oppositionellen Denkens, Sprechens und Handelns.“ (1998, S. 156)

Bernd Sösemann, 1985 bis 2005 Professor für Geschichte der öffentlichen Kommunikation

----------

„Es ist die Geschichtsrevision der Wende. So, wie sie den braunen Vorgängern Absolution erteilt, so verketzert und verdrängt sie das Wirken linker, fortschrittlicher Kräfte in dieser Republik.“ (1988, S. 9)

Alexander von Hoffmann, 1974 bis 1988 Professor für Medienpraxis

----------

„Ich finde kein geeignetes Argument, Dovifats Verhalten zu rechtfertigen oder gar zu würdigen.“ (1998)

Armin Scholl, 1992 bis 1994 Wissenschaftlicher Assistent

----------

„Obwohl er der NSDAP nicht beitrat, erwies sich Dovifat als anpassungswillig und bereit zu Kompromissen, insbesondere wenn es darum ging, seinen beruflich-akademischen Status zu sichern.“ (2018)

Juliane Pfeiffer, 2015 Magister-Absolventin

medlab_logo_skaliert
Logo_IMS