Springe direkt zu Inhalt

Publizistikwissenschaft im Kalten Krieg

Gründungsfeier der FU Berlin am 4.12.1948 im Titania-Palast

Gründungsfeier der FU Berlin am 4.12.1948 im Titania-Palast
Bildquelle: Foto: Henry Ries / FU Berlin, UA, Foto-Slg., Foto/30001.

Artikel zur Gründung der Freien Universität in "Neues Deutschland" (4.12.1948, S. 3)

Artikel zur Gründung der Freien Universität in "Neues Deutschland" (4.12.1948, S. 3)
Bildquelle: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

Bibliothek im Institut für Publizistik in der Garystraße 1958

Bibliothek im Institut für Publizistik in der Garystraße 1958
Bildquelle: Foto: Reinhard Friedrich / FU Berlin, UA, Foto-Slg., RFDia/004-02

Das Institut für Publizistik wurde 1948 während der Berlin-Blockade und mit Gründung der Freien Universität eingerichtet. Deren Gründung war eine Reaktion auf die politische Gestaltung der alten Berliner Universität in der Sowjetischen Besatzungszone. Die USA unterstützten die FU, die als Symbol des „freien“ Westens fungieren konnte. Geld aus Amerika floss in den Bau von Gebäudekomplexen wie den Henry-Ford-Bau.

Emil Dovifat wurde erneut Institutsleiter und erhielt eine ordentliche Professur. Dovifat teilte die antikommunistische Identität der FU. In der Fachzeitschrift Publizistik beschwor er die Gefahren „totalitärer Mächte“ wie „Sowjetrußland“, die „die Welt in zwei Teile spalteten“. In seiner gut besuchten Vorlesung zeigte er aktuelle Bilder, um den „Existenzkampf der Demokratien“ herauszustellen. In der geteilten Stadt fanden seine Mitarbeiter viele Beispiele, die die mediale Auseinandersetzung zwischen Ost und West verdeutlichten. Als Parteijournalist für die CDU meldete sich Dovifat in Presse und Rundfunk zu Wort. Im NWDR, später im RIAS und im SFB sprach er auch die Hörer in der DDR an.

Weltanschauung, Medienwirkung und Rehabilitationsinteresse erklären Dovifats Antikommunismus. Der konservative Katholik, einst Zentrumspartei, gehörte zu den Gründern der Berliner CDU. Als Chefredakteur baute er die CDU-Zeitung Neue Zeit in der Sowjetischen Besatzungszone mit auf. Seine Artikel stießen dort auf Kritik. Auf Druck der Sowjetischen Militäradministration trat er zurück. Antikommunismus war außerdem ein Etablierungsweg für den politisch belasteten Professor. SED-Zeitungen prangerten seine NS-Vergangenheit an. Sie stellten Dovifat auch als „Charakterkopf der Spalteruniversität“ dar. An der Friedrich-Wilhelms-Universität, die nach der Befreiung vom Nationalsozialismus in der Zuständigkeit der Sowjetischen Besatzungsbehörden lag, hatte er keine Vorlesungserlaubnis erhalten, aber bis 1947 sein Gehalt weiter bezogen.

In den Etat der alten Hochschule war das Institut nicht übernommen worden. Die Mitarbeiter hatten Berlin verlassen. Die Mittel an der FU blieben bescheiden. Auf Umwegen gelangten Teile der Bibliothek und des Archivs aus Ausweichquartieren an die neue Adresse. Vieles war zerstört worden. Musste das Instituts in den 1940ern kriegsbedingt mehrfach die Räume wechseln, zeigten seine Umzüge an der FU auch die fehlende Anerkennung des Fachs. An die Bedeutung und Größe der Vorgängereinrichtung konnte es nicht mehr anknüpfen.

Elisabeth Löckenhoff (1964)

Elisabeth Löckenhoff (1964)
Bildquelle: Foto: Hans-Jürgen Bolle / Institut für Zeitungsforschung Dortmund

Löckenhoff (geb. Herrmann), E. (1963). Zur Theorie und Praxis der Presse in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Colloquium.

Löckenhoff (geb. Herrmann), E. (1963). Zur Theorie und Praxis der Presse in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Colloquium.

Unter der Initiative Elisabeth Löckenhoffs entwickelte sich die DDR-Publizistik zu einem Lehr- und Forschungsschwerpunkt. 1929 in Ostpreußen geboren, flüchtete sie 1944 mit ihrer Familie nach Halle und begann dort ein Studium, bevor sie 1949 nach Westberlin übersiedelte. 1955 promovierte sie bei Emil Dovifat mit einer Dissertation über die propagandistische Funktion der Schule in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Ab Mitte der 1950er Jahre bot sie regelmäßig Seminare zur Publizistik in der DDR an. Ihr besonderes Interesse galt der dortigen Entwicklung der Massenmedien und der Volkskorrespondentenbewegung sowie der Arbeit westdeutscher Korrespondenten in der DDR. Löckenhoff nutzte die Möglichkeit einer „Schnellhabilitation“ und konnte 1972 zur Professorin für Publizistik ernannt werden. Bis zu ihrem Tod 1985 betreute sie verschiedene Abschlussarbeiten über die DDR, darunter inhaltsanalytische Untersuchungen und Studien zur Theorie und Funktionsweise sozialistischer Massenmedien.

Dass die DDR sich gerade am Institut für Publizistik zum Schwerpunkt entwickelte, liegt ebenso in der Person Löckenhoffs begründet wie in der besonderen Lage Westberlins. Zur Hochzeit des Systemkonflikts in den 1950er Jahren stellte Löckenhoff ihre Untersuchungen noch unter Rückgriff auf den Totalitarismusansatz an. Damit stand sie in der Tradition ihres Doktorvaters. Später plädierte sie für eine systemimmanente Analyse und gehörte damit zu den Vordenkerinnen des kritisch-immanenten Ansatzes.

Bei den Fachvertretern im Bundesgebiet blieb das Interesse an DDR-Themen verhalten. Sie orientierten sich nun an der US-amerikanischen Mass Communication Research. Auch in Westberlin rückte Löckenhoffs Thema an den Rand.

medlab_logo_skaliert
Logo_IMS