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Das Institut für Publizistik und die 68er

Besetzung des Instituts für Publizistik im Gebäude Garystr. 35 im Mai 1968

Besetzung des Instituts für Publizistik im Gebäude Garystr. 35 im Mai 1968
Bildquelle: Fotograf: unbekannt / FU Berlin, UA, Foto-Slg., Foto/30916

Symbolische Umbenennung

Symbolische Umbenennung
Bildquelle: Foto: Jens Brüning / abgedruckt in: Pross, H. (1993). Memoiren eines Inländers 1923-1993. Artemis & Winkler, S. 298.

Flyer zur Vollversammlung der Publizistik-Studierenden am 22.04.1968

Flyer zur Vollversammlung der Publizistik-Studierenden am 22.04.1968
Bildquelle: Universitätsarchiv FU Berlin, Plakatsammlung, APO-Archiv

Plakat der Kritischen Universität (1967)

Plakat der Kritischen Universität (1967)
Bildquelle: FU Berlin, UA, Plakatsammlung, APO-Archiv

Proteste vor dem Springer-Haus am 11.4.1968 (Tag des Attentats auf Rudi Dutschke)

Proteste vor dem Springer-Haus am 11.4.1968 (Tag des Attentats auf Rudi Dutschke)
Bildquelle: Foto: Konrad Giehr I dpa-picturealliance I Landesarchiv Berlin

Wochen nach dem Attentat auf Rudi Dutschke und der Empörung vor dem Springer-Hochhaus, war auch für Studierende der Publizistik das Maß voll. Eine Vollversammlung beschloss die Bestreikung aller Lehrveranstaltungen am Institut. Dieser Protest richtete sich gegen die Philosophische Fakultät und die Studienbedingungen.

Ein Streik

Auf Anregung von Fritz Eberhard hatte die Philosophische Fakultät 1965 eine Berufungskommission eingesetzt. Sie sollte die reguläre Besetzung des Lehrstuhls herbeiführen. Es folgten drei Jahre, in denen nicht nur Emil Dovifat und Fritz Eberhard versuchten, ihre Vorstellungen vom Fach durchzusetzen, sondern auch die anderen Fächer der Fakultät. Über zwanzig Namen waren im Gespräch. Auf einer Fakultätssitzung im Februar 1967 sprach sich Fritz Eberhard dafür aus, den Chefredakteur von Radio Bremen zu berufen. Sein Plädoyer für Harry Pross wurde unterbrochen, als die Fachschaft um Fritz Teufel, Nebenfachstudent der Publizistik, lärmend Zugang zur Fakultätssitzung verlangte. Die Studierenden unterstützten Eberhards Vorschlag. Der Journalist Harry Pross schien ein praxisnahes Studium zu versprechen – ein ausdrücklicher Wunsch der Studierenden. Dass Pross sich außerdem gegen die Notstandsgesetze engagiert hatte, über die Zeit vor und nach Hitler und die Dialektik der Restauration geschrieben hatte, „klang uns Studierenden wunderbar sympathisch“, erinnerte sich Publizistik-Student Ulrich Pätzold. Kommissions- und Fakultätsmitglieder zweifelten hingegen an der Wissenschaftlichkeit des Kandidaten. Als bis Ostern 1968 immer noch keine Bewegung in das Verfahren gekommen war, kam es zum Streik. Bei Rektor Ewald Harndt trafen gleich zwei Resolutionen ein. Die Forderungen: schnellstmögliche Besetzung und mehr Mitbestimmung. Störaktionen bei Bewerbungsvorträgen folgten. Nachdem schließlich eine Liste mit Pross auf Platz 1 verabschiedet war, endete der Streik, aber nicht das Engagement. Ein gemeinsam mit dem Mittelbau verfasstes Memorandum an den Akademischen Senat warb um Zustimmung zur Liste, die Senatoren bekamen Besuch. Im Wintersemester 1968/69 nahm Harry Pross die Lehre auf.

Das Feindbild Springer

Die institutionelle Krise war nur ein Anliegen der 68er in der Publizistikwissenschaft, wenn auch ein Kristallisationspunkt ihres Unmuts. Neben der Demokratisierung der Universität und Nord-Süd-Konflikten ging es ihnen um die Macht der Medien. Von den Attacken der Berliner Presse war die Studentenbewegung selbst betroffen. Der Axel-Springer-Verlag wurde Hauptgegner und bot sich zugleich für eine kritische Analyse gesellschaftlicher Machtverhältnisse an. Diese Analyse fand auch am Institut statt. Dort hatten Studierende die Auseinandersetzung mit Pressekonzentration und Medienmanipulation vermisst. In Arbeitsgruppen entstanden Konturen einer „kritischen Publizistik“. Neben dem Verein Freunde der Publizistik am Institut bildete der Springer-Arbeitskreis der Kritischen Universität ein wichtiges Forum dieses Fachverständnisses. Die Kritische Universität war 1967 als Gegenmodell zur Ordinarienuniversität gegründet worden.

Am Institut: Kein Konfliktpotential?

Sicherlich: Ein „Dahlemer Fenstersturz“ wie dem Politologen Alexander Schwan wurde weder Fritz Eberhard noch Harry Pross angedroht. Lehrende und Studierende hatten vielmehr ein gemeinsames Interesse: die Publizistikwissenschaft erhalten. Auch der Umzug an das Roseneck im Grunewald 1968 dürfte den Zündstoff verringert haben. Das Institut sei ein Nachzügler gewesen, haben damalige Studierende berichtet; kein Brennpunkt von Protestaktionen wie Germanistik, Wirtschaftswissenschaft, Psychologie und Politikwissenschaft. Also keine Auseinandersetzungen? Fritz Eberhard habe in der Philosophischen Fakultät zu der Minderheit der Hochschullehrer gehört, die auf Seiten der Studierenden für Reformprojekte eintraten, erinnerte sich auch Fakultätsmitglied Helmut Gollwitzer. Fritz Eberhard unterstützte eine Inhaltsanalyse zu Berliner Pressekonformität und studentischer Protest. Die Quellen zeugen aber auch davon, dass es nicht nur harmonisch zugegangen ist. Störungen von Lehrveranstaltungen zogen sich bis in die 1970er Jahre hinein. Konfrontativ wurde Lehrenden vorgehalten, sie würden mit dem „falschen politischen Ansatz“ arbeiten. Harry Pross, dessen Bewerbungsvortrag bereits von einer studentischen Aktion unterbrochen worden war, entschied sich bei Dienstantritt gegen jegliche „autoritäre Attitüde“.

Ulrich Pätzold

Ulrich Pätzold
Bildquelle: Fotograf: unbekannt / Privatarchiv Ulrich Pätzold

Hans Bohrmann

Hans Bohrmann
Bildquelle: Fotograf: unbekannt / Privatarchiv Hans Bohrmann

Barbara Baerns

Barbara Baerns
Bildquelle: Fotograf: unbekannt / Privatarchiv Barbara Baerns

Ulrich Pätzold (1965 Studium der Publizistik. 1970 Magisterarbeit zum Springer-Arbeitskreis der Kritischen Universität. 1978 Journalistik-Professor in Dortmund): „Ich gehörte bis 1969 zu dem sehr radikalen Lager. Wir wollten selbstbestimmt festlegen, mit welchen Themen wir uns wissenschaftlich beschäftigen. Nach dem Attentat auf Dutschke kam es überall an der FU zu Institutsbesetzungen. Hier lief diese Aktion genauso hart an, aber es lief schnell und sanft aus. Harry Pross kam rein und setzte sich. Er erzählte ein wenig über die Münchener Räterepublik und Gustav Landauer. Schon bald wurde wieder die alte Struktur eingeführt. Die Gruppen haben wieder ihre Vertreter gewählt und man überlegte zusammen, welche Seminare und Vorlesungen es geben sollte.“

Hans Bohrmann (1959 Studium der Publizistik. 1967 wissenschaftlicher Assistent, Assistenzprofessor. 1977 Direktor des Instituts für Zeitungsforschung Dortmund): „Ich habe mich durch diese Studentenbewegung, die für mich etwas Antiwissenschaftliches hatte, auch sehr persönlich angegriffen gefühlt. Die so genannten Scheiß-Liberalen waren ja die eigentlichen Feinde. Man wollte die treffen, die dieses verrottete System immer noch am Laufen halten. Plötzlich standen dann irgendwelche Leute in einer Einführungsveranstaltung und haben die Studenten aufgefordert, sich zu entscheiden. Wir oder der Bohrmann. Die postfaschistische Gesellschaft verändern oder weiter rückschrittlich sein.“

Barbara Baerns (1959 Studium der Publizistik. 1967 Promotion, Dissertation über Presse in der Besatzungszeit. 1989 Professorin für Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit an der FU Berlin): „Erst im Juni 1967 stand mein Rigorosum an. Kurz zuvor war Benno Ohnesorg erschossen worden. An der Demonstration danach habe ich teilgenommen. Ich war keine Anhängerin des SDS. Auch die Enteignet-Springer-Aktionen fand ich unangemessen. Der Baukasten von Enzensberger hat mir später geholfen, mein Unbehagen zu formulieren. Er hat dort geschrieben, dass der Manipulationsvorwurf gegen Springer falsch sei, weil Manipulation auf Deutsch Hand- oder Kunstgriff heiße und folglich jeder Gebrauch der Medien Manipulation voraussetze (vgl. Enzensberger 1970: 106).“

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