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Die Berufung von 1968: Der Publizist Harry Pross (1923-2010)

Harry Pross (1963)

Harry Pross (1963)
Bildquelle: Fotograf: unbekannt / Radio Bremen

Beth, H., & Pross, H. (1976). Einführung in die Kommunikationswissenschaft. Kohlhammer.

Beth, H., & Pross, H. (1976). Einführung in die Kommunikationswissenschaft. Kohlhammer.

Bildungsbürgertum und Zweiter Weltkrieg

Harry Pross wurde in Karlsruhe als ältester Sohn eines Fabrikdirektors und einer klavierspielenden Mutter geboren. Er wuchs in den Werkstätten der Tubenfabrik und im Schwarzwald auf. Zum protestantischen Elternhaus gehörte die Musik von Chopin und Liszt, ein Auto und auswärtige Zeitungen. Sein Vater hielt Familienausflüge mit der Schmalfilmkamera fest. Der Heranwachsende beobachtete die deutsche Remilitarisierung der Westgrenze. Er meldete sich mit 18 Jahren freiwillig für den Zweiten Weltkrieg, wurde 1942 eingezogen und schwer verwundet.

Studium und Journalismus

Ab 1945 studierte Harry Pross Sozialwissenschaften in Heidelberg. Hans von Eckhardt war einer seiner Lehrer. Der Soziologe und Zeitungswissenschaftler schickte Pross nach Nürnberg zur Beobachtung des Hauptkriegsverbrecherprozesses. Eine Erfahrung, die den für Presse und Hörfunk arbeitenden Studenten und Rheinpfalz-Volontär weiter beschäftigte. Nach der Promotion verdiente er, wie er selbst schrieb, sein Geld im „amerikanischen Propagandaimperium“. Die Militärregierung in Frankfurt bestellte einen wöchentlichen „Digest of the Communist Press“ für westliche Meinungsführer. Diese Tätigkeit führte zu einem Studienaufenthalt in den USA 1952/53. In den folgenden Jahrzehnten entstanden zahlreiche Bücher über die Geschichte der deutschen Politik, Nationalsozialismus und Massenmedien. 1963 wurde Pross Chefredakteur von Radio Bremen.

Ein Berufswechsel mit Schwierigkeiten

Mit 45 Jahren wechselte der bestens vernetzte Pross auf den Lehrstuhl für Publizistik an der Freien Universität und löste Interimsdirektor Fritz Eberhard ab. Die ordentliche Besetzung des Lehrstuhls und das Ansehen von Harry Pross stabilisierten das Institut. Mit Pross wurde das Berliner Modell eingeführt. Die Kollegen im Westen begegneten ihm mit Distanz. Pross verkörperte all das, wovon sich das Fach lösen wollte: Praktikerlaufbahn, kulturwissenschaftliche Orientierung, Akzeptanz materialistischer Dialektik. Für diese Akzeptanz steht das gemeinsame Lehrbuch mit Hanno Beth. Pross fühlte sich in der Kommunikationswissenschaft nicht zuhause. Aus dem Institut zog er sich nach und nach zurück und ließ sich 1983 vorzeitig emeritieren.

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