Die Politik und die Publizistikwissenschaft
Im Abgeordnetenhaus gibt es in den 1970ern von der CDU getriebene Redeschlachten über eine „kommunistisch unterwanderte“ Freie Universität. Im Mittelpunkt: Der Fachbereich 11 Philosophie und Sozialwissenschaften, zu dem die Publizistikwissenschaft gehört. Gefordert wird die Rücknahme von Mitbestimmung und mehr staatliche Kontrolle. Die Forderungen werden flankiert von Gesetzen (siehe rechtlicher Kontext) und von Kampagnen der konservativen Notgemeinschaft für eine freie Universität (NofU) öffentlichkeitswirksam unterstützt. Die NofU veröffentlicht Verzeichnisse, in denen auch Publizistikwissenschaftler namentlich aufgeführt werden, die sich in den SEW-nahen Aktionsgemeinschaften von Demokraten und Sozialisten engagiert haben. 1980 löst der SPD-Wissenschaftssenator und Kommunikationswissenschaftler Peter Glotz den Fachbereich auf. Seine Diagnose: fehlende Rechtskonformität und eine „ungünstige Personalstruktur“. Sein Plan für die Publizistikwissenschaft: Gründung eines eigenständigen Fachbereichs mit mehr Professuren. Ausbau der Professuren auch, um die Lehre aus dem Einflussbereich des Mittelbaus zu nehmen. Dafür werden Mittelbaustellen gekürzt. Die Maßnahmen bringen zwar eine gewisse Befriedung, aber auch Lähmung. Der Aufbau des neuen Fachbereichs dauert. Aus dem Ausbau wird nichts. 1981 wechselt die Regierung. Dem CDU-Senat reichen die Maßnahmen nicht. Wissenschaftssenator Wilhelm Kewenig folgt mit einer Blockberufung 1985/86 den Empfehlungen eines von ihm eingesetzten konservativ besetzten Expertengremiums und gestaltet die Publizistikwissenschaft grundlegend um. Die neuen Schwerpunkte: Geschichte, Journalismus und Empirie (vgl. den Stammbaum der Professuren am IfPuK).
Rechtlicher Kontext
1969 Berliner Universitätsgesetz
Professoren verlieren absolute Mehrheit in Gremien, erweiterte Mitbestimmung sowie weitere Reformen
1972 „Radikalenerlass“
Gemeinsamer Beschluss von Bundesregierung und Ministerpräsidenten. Ziel: Zugangsbarriere zum öffentlichen Dienst für Personen, die an als verfassungswidrig eingestuften Aktivitäten teilgenommen haben
1973 Bundesverfassungsgerichtsurteil
Dominierende Stellung von Professoren in Gremien festgeschrieben
1974 Novellierung Berliner Universitätsgesetz
verstärkte staatliche Kontrolle der Verwaltung, Professorenmehrheit in Gremien
1978 Berliner Hochschulgesetz
Wiedereinführung professoraler Mehrheit in Gremien, Umsetzung des Hochschulrahmengesetzes von 1976